Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der FDP-Fraktion, Claus Thielmann

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Sie glauben gar nicht, wie leicht Sparen fällt, wenn man kein Geld mehr hat,“ sagte einst Lothar Späth, ehemaliger Ministerpräsident und danach erfolgreicher Vorstandsvorsitzender der Jenoptik AG. Leider lässt sich seine Aussage nicht so einfach von Schwaben und Jena auf Westfalen und Hagen übertragen. In Hagen galt über viele Jahre eher das Prinzip „die Defizite von heute sind die Steuern von morgen“. Umso erfreulicher ist es, dass wir heute im Jahr 2018 nach jahrelanger harter Arbeit und umfangreichen Haushaltssicherungsplänen ein Licht am Ende des Tunnels sehen – in Form eines erneut ausgeglichenen Haushalts. Dafür gebührt zuerst unserem Stadtkämmerer Christoph Gerbersmann und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dank. In den letzten Jahren hat er uns immer wieder die Realität teils drastisch, aber immer offen und ehrlich vor Augen gehalten. Es ist aber auch ein Durchbruch für unsere Stadt an sich, dass sich neue Mehrheiten auf den Weg gemacht haben die Haushaltskonsolidierung konsequent in Angriff zu nehmen, anstatt die Probleme weiterhin vor sich her zu schieben. Leider führt Erfolg, selbst wenn es nicht der eigene ist, offenbar schnell zu Leichtsinn.

Wenn die SPD in ihren Forderungen zum Haushalt eine Politik empfiehlt, die sich „vom Kürzen zum Gestalten“ orientiert oder wie die Westfalenpost titelt „gestalten statt verwalten“ will, ist das wohl eine Mischung aus Übermut und fehlender Selbstreflektion. Denn umgekehrt wird ein Schuh draus: Während die SPD jahrelang die kommunalen Schulden gemehrt und das Defizit mehr schlecht als recht verwaltet hat, brauchte es einen unermesslichen gestalterischen Aufwand, Hagen aus dieser Misere herauszuführen. Aber auch wer eine stabile Haushaltspolitik nicht als gestalterische Aufgabe begreift, braucht eine solide Grundlage, denn unter den Zwängen einer durch die Kommunalaufsicht kontrollierten Haushaltskonsolidierung sind die Spielräume bekanntermaßen extrem gering. Somit ist ein solider Haushalt keinesfalls ein Nebenprodukt erfolgreicher Kommunalpolitik, nein er ist eine absolute Notwendigkeit.

Die SPD sollte Mut zur Ehrlichkeit besitzen, den Bürgerinnen und Bürgern offen zu sagen, dass sie nur Pseudo-Kompensationsvorschläge für ihre Forderungen einbringt. Angesichts eines möglicherweise am Ende des Tages – dank VERDI – deutlich geringer ausfallenden Haushaltsüberschusses wäre dies, um eine Königsche Formulierung zu wählen „dringend geboten“. Sie sollte auch den Empfängern sozialer Wohltaten ehrlich kommunizieren, dass sie die Erhöhung der Zuwendungen für die folgenden Jahre keinesfalls garantieren kann. Und sie sollte einräumen, dass für eine erfolgreiche Verbesserung des ÖPNV ein gut durchdachtes Konzept notwendig ist und nicht nur das Wunschdenken, dass allein durch mehr Geld im Nahverkehr mehr Bürgerinnen und Bürger automatisch auf Bus und Bahn umsteigen.

Wer zum jetzigen Zeitpunkt Diskussionen über neue Ausgaben startet, handelt nicht seriös, sondern fördert einen Rückfall in den Teufelskreis, aus dem wir gerade erst mit massiven Anstrengungen entkommen sind. Falsche Versprechen ohne ein nachhaltiges finanzielles Fundament haben uns in der Vergangenheit nicht weitergebracht und werden es auch in Zukunft nicht. Es ist daher verantwortungslos den Hagenern zu suggerieren, dass die finanzielle Krise längst ausgestanden ist und das städtische Füllhorn wieder sprudelt. Genauso verantwortungslos ist es, die Haushaltskonsolidierung zu nutzen, um Hagen und seine Zukunft schlecht zu reden oder einen gefühlten Stillstand in der Entwicklung unserer Stadt zu postulieren.

Wir müssen ehrlich sein: Alle müssen weiterhin ihren Beitrag leisten. Wenn wir jetzt damit beginnen einzelne Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung in Frage zu stellen weichen wir das ganze Konstrukt an seinem Fundament auf. Wer Klientelpolitik betreibt, indem er immer wieder einzelne Sparmaßnahmen in Frage stellt ohne Alternativen zu nennen, legt die Axt an die Zukunft dieser Stadt. Niemand kann heute qualifiziert vorhersagen wann die Niedrigzinspolitik ein Ende hat. Niemand weiß, welche Kosten in den nächsten 10 Jahren im Bereich der Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern auf uns zukommen. Allein deshalb steht ein Bruch mit den Sparanstrengungen zum jetzigen Zeitpunkt völlig außer Frage.

Wir Liberale setzen daher den Fokus nicht auf neue Ausgaben, sondern denken darüber nach, wie man die Einnahmen verbessern, die Ausgaben verringern und damit den Handlungsspielraum von Politik und Verwaltung vergrößern kann. Zunächst ist es elementar wichtig, dass wir bei der Einwerbung von Fördermitteln erfolgreicher werden und das in allen Bereichen. Das ist übrigens auch kein neues Konzept der SPD-Fraktion, sondern wurde sowohl von uns als auch von anderen Fraktionen in diesem Haus immer wieder angemahnt. Die Verwaltung ist nunmehr auf dem richtigen Weg. Allerdings kann man nicht genug betonen, dass hier ein größeres Engagement aller relevanten Fachbereiche nötig ist. Nachdenken müssen wir zukünftig auch über alternative Finanzierungskonzepte wie Crowd-Funding, wie bereits mehrfach von der FDP-Fraktion angeregt. Da die Verwaltung sich bisher mit der konkreten Anwendung äußerst schwertut, werden wir in naher Zukunft konkrete Beispiele zur Umsetzung vorschlagen. Last but not least sehen wir weiterhin großes Potential in der Verwaltungsmodernisierung, der Digitalisierung und den elektronischen Dienstleistungen für die Bürger. Es ist an der Zeit, dass wir auf die Auswirkungen der Einsparungen im Personalbereich reagieren: nicht mit Forderungen nach höheren Personalausgaben, sondern mit einer intensiven Prozessoptimierung. Für uns ist es nicht wichtig, was alles nicht geht. Für uns ist wichtig, wie es besser und effizienter geht.

Natürlich ist auch in den kommenden Jahren jeder Euro an Überschuss ein Grund zur Freude, jedoch müssen wir uns zu jedem Zeitpunkt an einen verantwortungsvollen Umgang mit den verfügbaren Mitteln erinnern. Genauso müssen wir uns daran erinnern, dass wir in der größten Not gezwungen waren, durch intensive Erhöhungen von Abgaben, Gebühren und Steuern alle Bürger zu belasten. Daher lassen uns Überschüsse auch zunächst an eine moderate Senkung z. B. des Gewerbesteuerhebesatzes und nicht an zusätzliche Ausgaben denken. Was nutzt uns eine bessere Gewerbeflächenvermarktung, wenn wir es nicht schaffen, neue Unternehmen nach Hagen zu holen oder zumindest Bestandsgewerbe hier zu halten. Wenn wir nicht wollen, dass das zarte Pflänzchen „ausgeglichener Haushalt“ in den nächsten Jahren durch steigende Arbeitslosigkeit und Sozialleistungen erdrückt wird, müssen wir gerade hier ein deutliches Signal senden, nicht nur bei den Steuern, sondern auch im Bereich der Wirtschaftsförderung an sich.

Apropos Gestalten: Weder wir noch die Allianz als Ganzes müssen sich eine statische oder uninspirierte Politik vorwerfen lassen. Ganz im Gegenteil: Während die SPD das gestalterische Moment vor allem immer dann entdeckt, wenn es aus ihrer Sicht Geld zu verteilen gibt, bringen die FDP und ihre Partner regelmäßig wichtige Initiativen auf den Weg, die unsere Stadt voranbringen. In der Verkehrsentwicklung denken wir nicht eingleisig. Wir fordern eine Berücksichtigung aller Verkehrsteilnehmer. Die Entwicklungen, die wir jetzt im ÖPNV, im Radverkehr aber auch z.B. bei der E-Mobilität voranbringen, werden Hagen nachhaltig verändern. Gleiches gilt für die Gründung der HIG, der Hagener Industrie- und Gewerbeflächen GmbH, die Entwicklung neuer Gewerbeflächen und die Gestaltung des Geländes hinter dem Bahnhof, die wir mit Nachdruck vorantreiben werden. Gleichzeitig haben wir es gemeinsam geschafft, dass weitere Einschnitte im Sozialbereich verhindert werden konnten.

Dem Doppelhaushalt 2018/2019 werden wir natürlich zustimmen, auch und gerade, weil wir darin kein Konstrukt sehen, dass Hagen knebelt und in seinen Möglichkeiten einschränkt, sondern einen Einstieg in eine bessere Zukunft. „Jeder darf jeden Fehler ungestraft einmal machen“, sagte vor über 35 Jahren bei Arbeitsbeginn mein letzter Chef zu mir. Wenn wir heute bei der Haushaltsverabschiedung die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen möchten und gleichzeitig an die vielen Aufgaben und Unsicherheiten der Zukunft denken, kann man aus unserer Sicht nur zu einem positiven Votum kommen. Janbernd Oebbecke, westfälischer Rechtswissenschaftler und Genosse formuliert treffend: „Die Pflicht zum Haushaltsausgleich geht allen anderen Pflichten vor, weil auf die Dauer keine Pflicht mehr erfüllt werden kann, wenn der Haushaltsausgleich nicht gelingt.“

Bildquelle:  W.J.Pilsak unter CC BY-SA 3.0

 

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