Antrag: Klimafolgenanpassung: Mini-Wälder und Bauminseln mit Bürgerbäumen einrichten

Das Stadtklima des 21. Jahrhunderts wird immer mehr von Hitzephasen und Starkregenereignissen geprägt sein. Das seit Jahren von namhaften Klimaforschern prophezeite Szenarium ist auch lokal in Hagen zu beobachten. Wollen wir die Innenstadt und die Stadtteile weiter attraktiv und lebenswert erhalten, müssen wir uns entsprechend einrichten – nicht zuletzt im Sinne des Gesundheitsschutzes von Anwohnern und Besuchern.

Als Reaktion darauf hat der Umweltausschuss am 20.03.2019 das Integrierte Klimaanpassungskonzept der Stadt Hagen (InKlaH) (DS 0242/2019) zur Kenntnis genommen, das der Rat mit einer Sachstandsvorlage in seiner Sitzung am 23.09.2021 unter Punkt 2 beschlossen hat.

Darin schreiben die Autoren zu 2.4.3. Handlungsfeld Grün- und Freifläche:

„Städtisches Grün übernimmt (…) zahlreiche klimarelevante Funktionen und verbessert das Stadtklima. Damit wirkt es gesundheitlichen Belastungen entgegen, produziert Sauerstoff, bindet Stäube und filtert Luftschadstoffe. Außerdem schützen offene und unversiegelte Flächen die Bebauung vor Klimawirkungen, indem sie Niederschlagswasser zurückhalten, versickern und durch Verdunstung wieder abgeben. Insbesondere bei Starkregenereignissen sind Grünflächen, auch Gründächer, wichtige Wasserspeicher, die die Kanalisation entlasten und Überflutungen verhindern können. Grün- und Freiflächen reflektieren und absorbieren zudem langwellige Wärmestrahlung, mildern so Hitzeextreme und schaffen ein angenehmes Mikroklima. Urbanes Grün ist daher wichtig für den Klimaschutz, die Klimaanpassung, den Schutz der Gesundheit und die Regulierung des Wasserhaushalts.“(1)

Neben den klimarelevanten positiven Wirkungen von Stadtgrün gibt es weitere Vorteile von Stadtbäumen und Grünanlagen. Sie werten das Stadtbild auf, verbessern die Akustik und steigern die Artenvielfalt in der Stadt. Nachhaltige Pflanzungen sollten gut geplant und auf Jahrzehnte angelegt sein.

Während in großen Parks und auf freien Flächen eher Mini-Wälder den Vorzug zu geben ist, sollten in der Stadt eher Bauminseln angelegt werden, die möglichst guten Durchblick erlauben. Auf diese Weise werden Angsträume vermieden, die später für Probleme mit dem Mini-Wald sorgen könnten.
Mini-Wälder (Tiny Forests)

Mini-Wälder werden auf Flächen zwischen 100 (2) und 1.000 Quadratmetern (3) angelegt und mit maximal fünf Pflanzen pro Quadratmeter bestückt. Tiny Forests benötigen nach der Methode von Akira Miyawaki lediglich „über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren leichte Pflege – Unkraut jäten und gießen –, an-schließend können die Wälder ohne menschliches Zutun autark leben und wachsen.“(4) Mit einer Mischung aus verschiedenen Pflanzen mit unterschiedlichen Wuchshöhen (5) entsteht ein dichtes Pflanzbild, das vermutlich mehr CO2 und Wasser bindet als Stadtbaum-Solitäre. Ob ein Mini-Wald besser für das Klima ist als einzelne Bäume, will die Stadt Essen begleitend zusammen mit den Universitäten in Duisburg-Essen und Dortmund wissenschaftlich untersuchen lassen. (6) Dazu liegen noch keine Daten vor. Denkbare und geeignete Standorte für Mini-Wälder sind Parks und Grünflächen oder Areale, die entsiegelt werden sollen.

Eingerichtet werden sollten die Mini-Wälder in enger Abstimmung mit den Bezirksvertretungen und den Bewohnern vor Ort. Das sorgt für die entsprechende Akzeptanz und den Schutz der anfangs empfindlichen Pflanzen. Nicht einzusetzen sind Tiny Forests als indirektes Instrument für die Verkehrsplanung oder gegen den Willen von Anwohnern. (7)

In Nordrhein-Westfalen entstehen derzeit eine ganze Reihe solcher Mini-Wälder. Beispielhaft seien neben dem Tiny forest in Herford zwei Mini-Wälder in den Essener Stadtteilen Bochold und Stoppenberg erwähnt. (8) In Bochum will eine Bürgerinitiative auf einer ungenutzten Brachfläche einen “Tiny Forest” pflanzen. (9) Kritisch steht die Stadtverwaltung Neuß ein Anliegen von Bürgern, die einen Tiny Forest auf der Furth einrichten wollen. Die Stadt Neuß lehnt das ab, weil diese Gegend bereits über „sehr umfangreiche Grünzonen“ verfüge, „die die beabsichtigten klimatischen Effekte in einem ungleich größeren Umfang bereits heute leisteten.“ (10)

In Mönchengladbach wurde im März 2023 ein erster Mini-Wald gepflanzt – ganz bewusst als „als soziales Projekt“ – als „Waldprojekt von Bürgern für Bürger.“ (11) Dieses Konzept kommt den Vorstellungen der Antragsteller am nächsten.

Bauminseln nach Bregenzer Vorbild

Anders als die Mini-Wälder spenden Bauminseln nach Bregenzer Vorbild (12) in erster Linie Schatten in Fußgängerzonen, ohne dabei die Blickachsen zuzuwachsen. Denn anders als in Parks sollen in einer belebten Innenstadt keine nicht einsehbaren Bereiche entstehen, die dann wiederum schnell als „Angsträume“ identifiziert werden. Anders als in den Mini-Wälder soll eben kein dichtes Nebeneinander von Pflanzen die Sicht versperren.

Die Stadt Bregenz hat in der neu gestalteten Fußgängerzone (13) am Kornmarkt fünf unterschiedlich große Baumgruppen anlegen lassen, deren Kronen zusammen das Volumen eines alten Stadtbaums erreichen oder übertreffen. Die Bäume stehen dabei auf einer unversiegelten Fläche – meist kreisförmig angeordnet. Die Stämme sind so weit voneinander entfernt, die Bäume bis in eine Höhe von drei bis vier Metern aufgeastet, dass der Blick von Passanten kaum behindert wird. Sie ermöglichen nicht nur einen ungehinderten Durchblick – wichtig für das Sicherheitsgefühl besonders in den Abend- und Nachtstunden. Sie sorgen auch schneller als einzelne Bäume für ein geschlossenes und mächtiges Kronendach, ohne den Boden darunter zu sehr abzudunkeln. Lediglich die kleineren Bauminseln sind bis in eine Höhe von etwa einem Meter bewachsen. Aber auch hier bleibt ein Sichtbereich frei und erleichtert so auch die Orientierung auf dem Platz.

Subjektiv entsteht bei den großen Baumgruppen beinahe der Eindruck einer „Baumwolke“. Mit Sitzgelegenheiten im Schattenbereich der Bauminseln und direkt unter den Bäumen lädt das Areal zum Verweilen und Erholen ein. An heißen Tagen wirken diese Bereiche erheblich abkühlend und entspannend. Im Ergebnis ist auf dem Kornmarkt die Aufenthaltsqualität deshalb auch deutlich höher als auf dem Hagener Friedrich-Ebert-Platz.

Als Standorte für solche Bauminseln empfehlen sich insbesondere Hitzeinseln in der Innenstadt, an denen sich Menschen aufhalten. Beispielhaft sei hier der Boeler Markt angeführt, der durch die einzelnen Bäume nur wenig Schattenflächen bietet und wo sich bei direkter Sonnenstrahlung die Parkplatzfläche enorm aufheizt. Diese Hitze wirkt sogar noch bis in die Abendstunden nach, selbst wenn keine Sonne mehr scheint.

Bürgerbeteiligung aktiv: Mit Bürgerbäumen den öffentlichen Raum zurückerobern.

Bäume können – das zeigen die Beispiele Friedrichshafen am Bodensee und Mönchengladbach – ein Beispiel für aktive Bürgerbeteiligung sein. Dort können Bürgerinnen und Bürger Bäume spenden. Auf diese Weise erobern sich die Einwohner ein Stück öffentlichen Raum und setzen ein positives Zeichen für ihre Stadt. Ein geeigneter Stadtbaum an der richtigen Stelle gepflanzt ist ein Generationen überdauerndes und wirkendes bürgerschaftliches Engagement für die eigene Stadt. Sofern die Bäume sachgerecht gepflanzt und anschließend gut gepflegt werden, können Sie – je nach Art – deutlich über 100 Jahre alt werden.

Das Bürgerbaum-Konzept in Friedrichshafen war in den vergangenen zwanzig Jahren sehr erfolgreich. Im gesamten Innenstadtgebiet finden sich zahllose Straßenbäume, die von der Stadt ausgesucht und von privaten Spendern bezahlt werden. Am Fuße der Bäume finden sich Plaketten mit der Baumart, den Spendernamen und teilweise Widmungen zu welcher Gelegenheit der jeweilige Baum gespendet wurde. Derzeit sind neue Wünsche gar nicht mehr zeitnah umsetzbar, weshalb das die Stadt an einem neuen Wunschsystem arbeitet, „um Bürger und Bürgerinnen und ihre Bäume besser zusammenbringen zu können. Damit die offene Wunschliste nicht noch länger wird, sind bis voraussichtlich Ende 2023 keine neuen Spendenanfragen möglich.“ (14)

Hagener Baby-Wald-Konzept übernehmen

Die Stadt Hagen verfolgt seit 2009 ein ähnliches Konzept bei den Baby-Wäldern in Haspe. Dort lädt der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) regelmäßig dazu ein, von ihm bereitgestellte Obstbäume für einen Be-trag von 80 Euro durch Eltern anzupflanzen zu lassen.15 Das ist auch für die beiden oben vorgeschlagenen Baumprojekte der richtige Weg. Selbstverständlich legen die Antragsteller Wert darauf, dass die entsprechenden Bäume in Abstimmung zwischen Umweltamt und Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) passend zur Örtlichkeit ausgewählt werden, damit sie auch ein ganzes Baumleben dort zubringen können und nicht schon aufgrund unpassender natürlicher Rahmenbedingungen vorzeitig eingehen.

Bürgerbäume sind übrigens nicht zu verwechseln mit Baumpatenschaften, die noch in einem weiteren Antrag neu angestoßen werden sollen.

Anders als kommerzielle Angebote wie Grow My Tree16, die sich in erster Linie der CO2-Kompensation verschrieben haben und die Bäume „im globalen Süden“ pflanzen wollen, wachsen Bürgerbäume dort, wo die Menschen leben. Das macht die eigene Wirkung anschaulicher und kontrollierbar.

Bürgerbäume dienen in erster Linie der Verbesserung des Mikroklimas im Stadtgebiet, tragen aber nebenbei im Innenstadtgebiet dazu bei, die Bodenversiegelung zu durchbrechen, den örtlichen Wasserhaushalt zu entlasten und binden ganz nebenbei auch noch, CO2 NOx und Feinstaub aus der Luft.

Die CDU-Fraktion und die FDP-Ratsgruppe stellen daher folgenden Antrag zur Sitzung des UKM am 13.09.2023:

  1. Die Verwaltung wird beauftragt geeignete Flächen für Mini-Wälder (Tiny Forests) nach der japanischen Miyawaki-Methode und Bauminseln für Fußgängerzonen nach dem Vorbild der Stadt Bregenz zu identifizieren.
  2. Die Bäume und Pflanzen für beide unterschiedlichen Konzepte sollen ausschließlich von privaten Geldgebern finanziert werden. Dazu wird die Verwaltung beauftragt, ein „Bürgerbaumkonzept“ nach dem Vorbild der Hagener Babywäldern oder der Stadt Friedrichshafen am Bodensee auszuloben.

(1) siehe Stefan Greiving / Felix Othmer / Fred Weber / Sophie Arens / Dennis Becker / Florian Hurth / Florian Flex / astrid-snowdon-mahnke / Wolfgang Beckröge: „Integriertes Klimaanpassungskonzept Stadt Hagen – Abschlussbericht zum Vorhaben“, Hagen, 2019, Seite 13.
(2) siehe Sigrid Blomen-Radermacher: „Neue grüne Oase für Bürger: Ein „Tiny Forest“ für Mönchengladbach“, aufgerufen unter https://rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/moenchengladbach-der-erste-buergerwald-tiny-forest-angepflanzt_aid-85487903, Mönchenglad-bach/Düsseldorf, Stand: 03.03.2023, 05:11 Uhr.
(3) Angaben, siehe Stadt Essen: „Tiny Forest / Miniwald“, aufgerufen unter https://www.essen.de/dasistessen/leben_im_gruenen_/biodiver-sitaet_und_klimaanpassung_1/tiny_forest.de.html, Essen, Seite undatiert.
(4) siehe Fenna Tinnefeld (Projekt Phase 0 / Grüne Städte und Regionen – Forum Baukultur Nordrhein-Westfalen): „Wann ist ein Wald ein Wald? – der Tiny Forest Herford“, aufgerufen unter https://baukultur.nrw/artikel/wann-ist-ein-wald-ein-wald/, Herford, Stand: 31.05.2023.
(5) beispielhaft siehe „Auflistung der Baum- und Pflanzengattungen des Tiny Forest am Klinikum Herford“, aufgerufen unter https://baukul-tur.nrw/site/assets/files/10672/auflistung_baum-_und_pflanzengattungen_tiny_forest.pdf, Herford, Dokument undatiert.
(6) siehe ebenda.
(7) siehe abschreckendes Beispiel, dargestellt von Mirjam Ratmann: „Winziges Wäldchen an Essens Hauptverkehrsader sorgt für Streit“, aufgerufen unter https://www.wa.de/essen/essen-stadtzentrum-streit-gruene-bv-politik-natur-wald-gruenflaeche-nrw-92105450.html, Essen, Stand: 23.02.2023, 20:03 Uhr.
(8) siehe WDR-Nachrichten: „Stadt Essen plant zwei neue Mini-Wälder“, aufgerufen unter https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/stadt-essen-plant-tiny-forests-100.html; Köln/Essen, Stand: Stand: 19.01.2023, 11:37 Uhr.
(9) siehe BoKlima: „Kleiner Urwald mitten in Bochum (tiny forest)“, aufgerufen unter https://boklima.de/?p=7832, Bochum, Stand: 15.03.2021.
(10) siehe Simon Janßen Neuß-Grevenbroicher Zeitung): „Umwelt-Projekt für Neuss: Schlechte Chancen für „Mini-Wälder“ in der Nordstadt“, aufgerufen unter https://rp-online.de/nrw/staedte/neuss/neuss-schlechte-chancen-fuer-tiny-forests-in-der-nordstadt_aid-84332771, Neuß/Düsseldorf, Stand: 08.02.2023, 04:50 Uhr.
(11) siehe Sigrid Blomen-Radermacher: „Neue grüne Oase für Bürger: Ein „Tiny Forest“ für Mönchengladbach“, aufgerufen unter https://rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/moenchengladbach-der-erste-buergerwald-tiny-forest-angepflanzt_aid-85487903, Mönchenglad-bach/Düsseldorf, Stand: 03.03.2023, 05:11 Uhr.
(12) siehe Baumschlager Hutter Partners: „A 127 Kornmarkt, Bregenz AT“, aufgerufen unter https://baumschlagerhutter.com/arbeiten/korn-markt-bregenz-at, Dornbirn, Seite undatiert.
(13) siehe Stadt Bregenz: „Fußgängerzone Innenstadt“, aufgerufen unter https://www.bregenz.gv.at/buergerservice/planung-und-bau/pro-jekte-in-bregenz/fussgaengerzone-innenstadt, Bregenz, Stand: Seite undatiert.
(14) siehe Stadt Friedrichshafen: „Bürger spenden Bäume“, aufgerufen unter https://www.friedrichshafen.de/buerger-stadt/planen-bauen-umwelt/umwelt-klimaschutz/stadtgruen/buerger-spenden-baeume/, Seite undatiert, Friedrichshafen, 2023.
(15) siehe Lokalnachrichten Radio Hagen: „Neuer Babywald in Haspe“, aufgerufen unter https://www.radiohagen.de/artikel/neuer-babywald-in-haspe-1163125.html, Hagen, Stand: 16.12.2021 07:39 Uhr.
(16) siehe https://growmytree.com/

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